Archiv der Kategorie: Die Demokratie in Gefahr

Korruptes Europa?

ein Kommentar

Und wieder einmal berichten die Medien über einen Korruptionsskandal (Stand: 12/22). Diesmal über Eva Kaili, Mitglied des EU-Parlaments. Durch sie hat Katar mit Bestechungsgeld Einfluss auf die Legislative der Europäischen Union und somit auf Europas Handeln genommen. Sicher steht damit der Geldgeber ebenfalls in der Schuld, doch das schmälert nicht den Mangel an Verantwortungsbewusstsein seitens des Bestochenen, wie eben Kaili.

Am 09. Dezember 2022 kamen die ersten Berichte über die Festnahme von Kaili aufgrund einer Korruptionsaffäre. Sie soll Millionen von Katar erhalten haben. Nun ist das aber nicht der einzige Vorfall in letzter Zeit, bei dem Korruption im Raum steht. Auch die „Maskendeals“ kursieren immer wieder in den Nachrichten. Dabei haben sich die CSU-Politiker Sauter und Nüßlein an der Coronakrise bereichert. Nun stellt sich die Frage, wie man das Ausnutzen einer solchen Krisensituation für den eigenen Vorteil mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Solch ein beschämendes Handeln von unter anderem hochrangigen Politikern schwächt den Glauben der Bevölkerung in die europäische und deutsche Korruptionsbekämpfung sowie das Vertrauen in die von den Vorfällen betroffenen politischen Instanzen, wie das EU-Parlament. Somit schürt ein solcher Egoismus von Politikern die Politikverdrossenheit und fördert die Verbreitung von Zweifeln an unserem bestehenden politischen System. Das zeigt, dass die Bestochenen das Risiko in Kauf nehmen unsere Demokratie in ihren Grundfesten, nämlich dem Vertrauen der Bürger in sie, zu erschüttern und so zu schwächen.

Zeitgleich gibt es wieder viel Kritik an Ungarns politischer Führung, einerseits berechtigterweise an einer zunehmend schwindenden Rechtsstaatlichkeit, andererseits auch an der dort sehr verbreiteten Korruption. Letztendlich wurde sogar ein Großteil der europäischen Fördermittel für Ungarn eingefroren. Doch wie durch den oben beschriebenen Korruptionsskandal innerhalb einer der wichtigsten Institutionen der Europäischen Union klar wird, ist das ein Bereich, wo nicht allein Ungarn aufpassen und verstärkt kontrollieren muss, sondern auch die anderen Staaten der EU. Sicherlich nicht unschuldig an den Häufungen von solchen Korruptionsvorfällen sind die politischen Regelungen, welche oftmals, durch fehlende Verpflichtungen zum Beispiel zu Offenlegung von gewissen Daten, zu undurchsichtigen, schwer zu überwachenden Geldgeschäften verhelfen. Die Organisation Transparency International beispielsweise, deren Ziel es ist, Korruption zu bekämpfen, hat festgestellt, dass den Verantwortlichen der EU-Institutionen zwar viele Vorschriften und Regeln vorgegeben sind, aber es unter anderem an einem verpflichtenden Lobbyregister fehlt.

Doch nicht nur unzureichende Vorgaben, sondern auch vernachlässigte Kontrollen machen Korruption attraktiv. So hat es im bayrischen Gesundheitsministerium im März 2020 eine drastische Kürzung der Arbeitszeit von Kontrolleuren gegeben. Laut FDP-Politiker Matthias Fischbach sei es unverantwortlich, „die Kontrolle für ein gesamtes Ministerium herunterzufahren, das Vergaben in Milliardenhöhe durchgeführt hat“.

Es wird sich in Zukunft zeigen, ob der Schock und die vermeintliche Überraschung der verantwortlichen Politiker über die Korruptionsskandale auch Folgen haben, ob solide Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung festlegen werden, ob man sich die Mühe machen oder doch nur zusehen wird, wie Politiker den Verlockungen des Geldes womöglich weiter verfallen. Die Ursachen dafür, dass Bestechung stattfinden kann, sind wohl größtenteils bekannt, aber vielleicht fehlt der Wille der Politik, sich auch Themen zuzuwenden, die nicht so tauglich für Effekthascherei sind.

Sophie Scholl und ihr Weg in den Widerstand

„Brave, herrliche junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein! … die ihr, als noch Nacht über Deutschland und Europa lag, wusstet und verkündet: `Es dämmert ein neuer Glaube an Freiheit und Ehre.´“ Dies sagte Thomas Mann über Sophie und ihren Bruder Hans Scholl in einer Radioansprache etwa vier Monate nach deren Tod. Noch heute sind sie vor allem unter dem Namen „Weiße Rose“ als eine der wichtigsten Widerstandsgruppen im Nationalsozialismus bekannt. Doch weniger bekannt ist, dass Sophie und ihre Geschwister dem Nationalsozialismus in ihren jüngeren Jahren alles andere als abgetan waren.

Sophie Scholl wurde am 09. Mai 1921 in Forchtenberg, Baden-Württemberg, als eine von sechs Kindern von Magdalena und Robert Scholl geboren. Schon früh war sie begeistert von den Einrichtungen der Nationalsozialisten und wurde im Jahr 1934 in die Jungmädelschaft aufgenommen. Ihre Eltern, die sehr liberale Einstellungen vertraten und dem nationalsozialistischen System abgeneigt waren, zeigten sich jedoch besorgt wegen der wachsenden Begeisterung ihrer Kinder für den Nationalsozialimus. Sie strebten von Anfang an eine Erziehung mit christlichen Werten an. In den Jugendorganisationen fühlten die Kinder sich eigenverantwortlich und wurden durch die Propaganda und Strategien des Regimes immer weiter aus ihren Familien herausgerissen. Auch die spätere Aufnahme in den BDM, den Bund deutscher Mädel, war für Sophie sehr bedeutend. Sie konnte mit Gleichaltrigen Zeit verbringen und genoss die gemeinsamen Ausflüge in die Natur voll und ganz. 

Bald zeigten sich allerdings einige Eigenschaften, die sie von den Einstellungen des NS-Regimes trennten, beispielsweise, dass Sophie bei den Treffen mit dem BDM am Lagerfeuer aus Büchern des Rainer Maria Rilke vorlas, was vom Regime verachtet wurde. Außerdem war Sophie schockiert von den Erzählungen ihres Freundes Fritz Hartnagel, der an der Front für Deutschland kämpfte und ihr in seinen Briefen von seinen grausamen Erlebnissen berichtete. Als dann auch noch Robert Scholl, Sophies Vater, wegen seiner kritischen Äußerungen über Hitler verhaftet wurde, erkannte Sophie endgültig ihre innere Abneigung gegen den Nationalsozialismus.

Ihr Bruder Hans Scholl, der in München Medizin studierte, wandte sich aufgrund seiner Zweifel ebenfalls vom Regime ab und gründete mit seinem Freund Alexander Schmorell die „Weiße Rose“, eine Gruppe Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Bald bestand der Kern der Organisation zudem aus Christoph Probst und Willi Graf sowie dem Professor Kurt Huber. Schon vor dem Beitritt Sophies zur „Weißen Rose“ fertigte die Gruppe vier verschiedene Flugblätter an, die zur Aufklärung über das nationalsozialistische Regime dienen sollten, und verteilten diese in ganz Deutschland. Nach Sophies Umzug nach München erfuhr sie, dass die „Weiße Rose“ unter anderem von ihrem eigenen Bruder geleitet wurde und wollte auch  sofort Teil der Organisation werden. Kurze Zeit später wurde sie nach ersten Zweifeln Hans` aufgenommen. Anfangs war die mittlerweile junge Frau für die Beschaffung von Material für die Anfertigung der Flugblätter zuständig, wie beispielsweise Tinte und Papier. Bald half Sophie jedoch auch aktiv mit und verteilte so am 18. Februar 1943 gemeinsam mit ihrem Bruder in der Münchener Universität um die 1700 Exemplare ihres sechsten Flugblattes. Als Sophie einen Stapel der Blätter von der Empore stoß, wurde sie von einem Angestellten ertappt. Daraufhin wurden sie und Hans verhaftet und nur wenige Tage später, zusammen mit Christoph Probst, am 22. Februar zum Tode verurteilt. Nach einem letzten Wiedersehen mit der Familie wurde Sophie noch ihr letzter Wunsch erfüllt: Sie rauchte mit ihren beiden Mitstreitern Hans und Christoph eine letzte Zigarre, bevor sie wenige Minuten später hingerichtet wurden.

Die Universität in München war die letzte „Wirkungsstätte“ Sophie Scholls.

Noch heute ist die „Weiße Rose“ eines der wichtigsten Symbole für den Widerstand gegen das menschenfeindliche Naziregime und kann vielen Menschen ein Vorbild sein, selbst für Gerechtigkeit und Frieden einzustehen. Denn die jungen Erwachsenen haben „geschrien, wo andere schwiegen“ („Die Weiße Rose“, Konstantin Wecker, dt. Liedermacher).

Weitere nützliche Informationen zum Thema „Sophie Scholl und Weiße Rose“ findet ihr im nachfolgenden Lernvideo:

Quellen:

Literatur

Barbara Beuys (2010): Sophie Scholl. Hanser-Verlag

Internet

https://www.geo.de/geolino/mensch/1651-rtkl-weltveraenderer-sophie-scholl

https://www.dw.com/de/sophie-scholl-nationalsozialismus-widerstand-im-zweiten-weltkrieg/a-57436371

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/widerstand-im-zweiten-weltkrieg/die-weisse-rose.html

https://www.spiegel.de/geschichte/weisse-rose-der-tod-von-sophie-und-hans-scholl-a-1193874.html

Der EU-Korruptionsskandal

Am Freitagabend den 9.12.2022 gelang es der belgischen Polizei, nach Monaten langer Arbeit, ein Korruptionsnetzwerk im Europaparlament aufzudecken. Die Beteiligten Personen sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft, darunter auch die griechische sozialdemokratische Vizepräsidentin des Europaparlamentes Eva Kaili.

Die belgische Polizei hatte schon lange Zeit den Verdacht, dass Mitarbeiter des Europaparlaments in einen Korruptionsskandal verwickelt sind. Am Freitagabend wurde dies nun bestätigt und das Ausmaß waren größer als zuerst angenommen; rund 1.5 Million Euro an Bargeld wurde beschlagnahmt und auch Parlamentsvize Kaili ist in diesen Skandal involviert. Normalerweise wäre sie aufgrund ihrer Immunität vor der Strafverfolgung der Polizei geschützt gewesen, da man sie jedoch auf frischer Tat ertappte, war jene Immunität ungültig. Als Folge dessen wurden sämtliche Vermögen der 44-Jährigen von der griechischen Regierung eingefroren, ihre Partei, die PASOK-Partei, ließ sie bereits am selben Freitag ausschließen und Kaili wurde von der Maltesischen Parlamentspräsidenten Roberta Metsola am darauffolgenden Wochenende von ihren Pflichten entbunden, bis Kaili schließlich am 13.12.2022 vom Europaparlament mit nur einer Gegenstimme abgewählt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft den in Haft genommen, wie auch Kaili, Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Einflussnahmen durch das Ausland vor. Kaili sowie ihr Anwalt weisen hingegen die an sie herangetragenen Vorwürfe zurück.

Laut Angaben der Ermittler hängen diese Einflussnahmen auf das Europaparlament und deren Entscheidungsträgern mit dem Golfstaat Katar zusammen. Von dort aus sollen auch die zahlreichen Geldsummen geflossen sein. Kaili war Teil einer Delegation, welche die Beziehungen zu den Golfstaaten ausbauen sollte, jedoch wurde zunehmend auffälliger, dass Sie sich für Katar übermäßig einsetzte, trotz der zahlreichen Vorwürfe an den Staat, Menschenrechte zu missachten. Katar hingegen weist die Vorwürfe deutlich zurück, so gibt das katarische Außenministerium zu verlauten, dass „jede Verbindung der katarischen Regierung mit den berichteten Vorwürfen grundlos und gravierend uninformiert [sei]“. Des Weiteren gibt das katarische Außenministerium bekannt, dass sich das Emirat an die vorgegebenen internationalen Gesetze und Regeln halte. Auch andere Staaten wie etwa Marokko und dessen Geheimdienst werden verdächtigt, bei Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugunsten von Katar und Marokko, gegen Bezahlung, politisch interveniert zu haben.

Nun will das EU-Parlament beschließen, wie man zukünftig mit Korruption umgehen soll und vor allem wie sich Bestechung vermeiden lässt. Parlamentspräsidentin Metsola kündigte bereits einen Plan für umfassende Reformen an. Obwohl das EU-Parlament bereits strengere Lobbyvorschriften, wie ein Lobbyregister, besitzt und Treffen mit Lobbyvertretern angekündigt werden müssen, sollen die Regeln noch einmal verschärft werden. Zu diesen Verschärfungen zählen unter anderem Vermögenserklärungen über Nebeneinkünfte und Finanzierungen sowie das Verbot jeglicher Finanzierung von Abgeordneten und Fraktionen von außen und die Aufzeichnung von Gesprächen mit Ländervertretern, deren Land kein Mitglied der Europäischen Union ist. Auch die Ethikkommission, welche lange Zeit mit Abgeordneten besetzt war, wodurch sich die EU selbst kontrolliert hat, soll durch unabhängige Fachleute von außen geprüft werden, um sicherzustellen, dass geltende Regeln eingehalten werden.

Die Aufarbeitung des Korruptionsskandals wird noch länger andauern, jedoch ist der angerichtete Schaden enorm, denn er stellt laut vieler Parlamentarier einen Angriff auf die Demokratie und die Lebensweise in Europa dar. Aufgrund dieser Tatsache will das Europaparlament trotzdem geschlossen auftreten, vor allem soll dieser Konflikt nicht zwischen den jeweiligen Fraktionen ausgetragen werden, damit populistischen und extremen Parteien es nicht ermöglicht wird, von dieser Krise zu profitieren.

Korruptionsverdacht in der EU: Was kommt da noch? | tagesschau.de

EU-Korruptionsskandal: Fast 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt | tagesschau.de

Korruptionsverdacht: EU-Parlament setzt Vizepräsidentin Kaili ab | tagesschau.de

EU-Korruptionsskandal : Kaili und Katar – was bislang bekannt ist | tagesschau.de

„Säule der Schande“: Universität von Hongkong entfernt Tiananmen-Skulptur

Die acht Meter hohe Skulptur, die seit 24 Jahren als Wahrzeichen des Campus` der Universität Hongkong an das Tiananmen-Massaker erinnert, soll nun von dort beseitigt werden. Sie erinnert an die grausame Niederschlagung der Demokratiebewegung im Jahre 1989 durch die kommunistische Staatsführung Pekings auf dem Tiananmen-Platz in Peking, der auch Platz des Himmlischen Friedens genannt wird. Dieser Abschnitt der chinesischen Geschichte gilt als einer der blutigsten.

Im rot bemalten Beton sind ausgezehrte Körper mit schmerzerfüllten Gesichtern abgebildet, welche an den Tod hunderter, wenn nicht tausender chinesischer Soldaten erinnern. Die „Säule der Schande“ dient seitdem als Denkmal dieses entsetzlichen Ereignisses. Neben der Säule werden jährlich am 4. Juni Kerzenmahnwachen zum Gedenken an die Opfer der Massenproteste abgehalten. Das vom dänischen Künstler Jens Galschiøt entworfene Kunstwerk wurde laut Anordnung der Verwaltung der renommierten Hochschule, welche unter Bedrängnis der kommunistischen Staatsführung steht, noch im Dezember vergangenen Jahres entfernt. Laut Galschiøt bemüht sich die Regierung, das Tiananmen-Massaker aus der chinesischen Historie auszulöschen, weshalb es von noch größerer Bedeutung sein wird, die Erinnerung zu erhalten.

Die Entfernung des Denkmals schlägt hohe Wellen. In Dänemark wurde Außenminister Jeppe Kofod als Akt des Protestes dazu aufgefordert, den chinesischen Botschafter herbeizuzitieren. Der Däne selbst ist laut eigener Aussage „wirklich schockiert“. Er wisse, dass China die Skulptur nicht mag, aber sei dennoch sehr überrascht, dass man sie entfernte, da es keine politische Skulptur sei, sondern lediglich eine Skulptur für Menschen, die tot sind. Auf scharfe Kritik stößt die Anweisung ebenfalls bei der demokratischen Oppositionsbewegung. Ein Sprecher der Hongkonger Allianz zur Unterstützung patriotischer demokratischer Bewegungen in China behauptet, dass die Universität als Raum für Meinungsfreiheit die „Säule der Schande“ zu bewahren habe. Die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam hält sich währenddessen auffällig zurück und rät der Verwaltung die Angelegenheit „entsprechend der vor Ort geltenden Richtlinien zu regeln“. Proteste werden jedoch aufgrund der missachteten Kunstfreiheit laut. Diese sollte neben Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit durch einen völkerrechtlich bindenden Vertrag zwischen Großbritannien und China garantiert sein, wobei die Richtlinien des Abkommens bereits mehrmals durch die chinesische Staatsführung gebrochen wurden.

Pro-kommunistische Politiker wie Tam Yiu-Chung begründen den verordneten Abbau des Kunstwerks mit den Worten: „Alles, was Chinas nationale Sicherheit gefährdet, muss verschwinden.“ Das Denkmal gehörte der Hongkonger Allianz zur Unterstützung patriotischer demokratischer Bewegungen in China, welche sich erst vor kurzem auflösen musste, weil China durch ein neues Staatssicherheitsgesetz die politischen Freiheiten in seiner Sonderverwaltungsregion massiv einschränkt.

Quellen:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/hongkonger-uni-will-tiananmen-skulptur-entfernen.265.de.html?drn:news_id=1309970

https://www.tagesschau.de/ausland/china-hongkong-kunst-101.html

https://snanews.de/20211009/china-hongkong-universitaet-tiananmen-skulptur-entfernung-3893576.html

Die University of Hong Kong sagt, dass die Statue der “Column of Shame” zum Gedenken an die Toten des Platzes des Himmlischen Friedens abgebaut werden sollte

https://www.deutschlandfunk.de/universitaet-von-hongkong-kritik-an-geplanter-demontage.2849.de.html?drn:news_id=1310148

Der „Deutsche Sozialismus“ – Warum der III. Weg so gefährlich ist

Von Festivals in Thüringen und Sachsen, auf denen der Hitlergruß gezeigt wird, faschistische Bands auftreten und sich „Sieg Heil!“ zum normalen Begrüßungsvokabular der Menschen zählt, hast du vielleicht bereits einmal gehört. Oder auch von den Ausschreitungen in Chemnitz im Jahr 2019, bei denen Rechtsextreme eine Jagd auf jeden und jede eröffneten, der oder die nicht weiß-mitteleuropäisch aussah. Es begann eine bundesweite Diskussionsphase, um das Geschehene zu verarbeiten. Doch die extreme Rechte bleibt auf dem Vormarsch, der III. Weg mit dabei.

Im Rahmen der Initiative „Demokratie Leben!“ mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte „Wir sind Straubing“ im Oktober 2021 eine Publikation, welche die extreme Rechte Szene in Ostbayern behandelt. Es wird schnell klar, dass Neonazis und die Verherrlichung des Dritten Reiches kein Phänomen sind, welches ausschließlich in den neuen Bundesländern auftritt.

„Der III. Weg“ ist aktuell die größte Neonazistruktur in Ostbayern. Ihre Anhänger*innen, bundesweit über 600 (Stand: 2020), sind stark ideologisiert und es besteht ein erheblicher Hang zur Gewalt. In der „Märtyrerstadt Wunsiedel“ in Franken marschiert man jährlich am Volkstrauertag mit Fackeln zum „Heldengedenktag“ auf. Der Begriff wurde im Jahr 1934 durch eine direkte Intervention bei Reichspropagandaminister Joseph Goebbels geprägt, kommt also aus der Nazizeit. Auch im Jahr 2021 hat am 14.11. ein Aufmarsch stattgefunden. Der III. Weg und andere Neonazis proklamieren bei ihren Märschen zum „Heldengedenktag“ die Wehrmacht- und SS-Soldaten, die im zweiten Weltkrieg fielen, als Helden, und man fühlt sich auf einer Art metaphysischen Ebene mit dem als vorbildlich geltenden Kampf für den „Deutschen Sozialismus“ verbunden. Nach dem Parteiprogramm lehnt der III. Weg den „ausbeutenden Kapitalismus“ sowie den „gleichmachenden Kommunismus“ ab und fordert einen Deutschen Sozialismus, welcher den „dritten Weg“ darstellt. Dabei kann der angekündigte „Deutsche Sozialismus“ mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt werden: Es soll eine „arteigene Kultur“ gepflegt und auf rassistische Art gegen Geflüchtete vorgegangen werden. Man beklagt, dass Niedriglöhne dazu führen würden, dass auch Frauen arbeiten gehen müssen und so weniger Kinder bekommen, was den „Volkstod“ fördern würde. Beim vermeintlichen Antikapitalismus handelt es sich zudem häufig um einen verbrämten Antisemitismus, denn es folgt die Verknüpfung „des Finanzkapitals“ mit „den Juden“, was eine etablierte antisemitische Denkfigur ist.
Zudem bezieht man sich auch ohne Scham in öffentlichen Reden direkt auf den historischen Nationalsozialismus, wie Julian Bender 2017 am „Heldengedenktag“: „Deutschland hatte einst den Kampf gegen die Sklaventreiber gewonnen, Klassendenken und Dekadenz wurden überwunden, soziale Gerechtigkeit wurde für jeden Deutschen geschaffen, für jeden Volksangehörigen geschaffen und der Zionismus wurde besiegt. […] Unsere Ahnen haben es gelernt, die Widersacher, Verräter und Vernichter unseres Volkes aus tiefster Seele hassen zu können und dieser Hass hat sie zu diesen befreienden Taten befähigt. […] Wer nicht streiten will […] verdient das Leben nicht.“ Aufgrund solcher ernstgemeinter Aussagen liegt es nahe, dass auch Shoah, die Konzentrationslager und der Vernichtungskrieg als Maßnahmen zum „Volksschutz“ legitimiert werden sollen, denn nach der Logik des III. Wegs ist jede politische, soziale oder kulturelle Abweichung gefährlich und muss hart bekämpft werden. Die Rechte und Freiheiten von Individuen und Gruppen werden zugunsten eines unterdrückenden Kollektivismus der „Volksgemeinschaft“ abgelehnt, man will vom „Ich zum Wir“. Jeder Einzelne soll seine Aufgabe in einer Volksgemeinschaft erfüllen müssen und das notfalls mit Zwang, denn auch das Recht, frei über seine Arbeitskraft zu verfügen, soll abgeschafft werden. Das sind alles Forderungen, wie sie die NSDAP unter Hitler umgesetzt hatte.

Besonders 2015 und 2016, nachdem viele Schutzsuchende zu uns nach Europa kamen, war der III. Weg schnell dabei, wenn es darum ging, die Furcht von Teilen der Bevölkerung zu instrumentalisieren: Von einer „Abwendung vom drohenden Volkstod“ oder von der „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes“ ist nach wie vor die Rede, man versteckt die offen rassistischen Motivationen nicht im Geringsten. Mit „Demonstrationsstreifen“, Kundgebungen und Flugblattverteilungen versucht die Partei, eine „Bürgerwehr“ zu mobilisieren. Die Tatsache, dass der III. Weg in der Vergangenheit Kontakte in Kriegs- und Krisengebiete und zu militärischen Organisationen hatte, welche bei terroraffinen Neonazis zur Nachahmung eines äußerst gewalttätigen Vorgehens motivieren und Möglichkeiten für terroristische Ausbildung und die Beschaffung von Waffen eröffnen, ist ebenso äußerst bedenklich. Es überraschte daher nicht, als eine Frau, die im Februar 2020 in Parteikleidung Ordnerin bei einem Aufmarsch war, wenige Wochen später Verdächtige in einem Fall wurde: Ihr wird vorgeworfen, Karten mit der Aufschrift „Ihr werdet niemals sicher sein!“ und scharfe Patronen an die türkisch-islamische Gemeinde in Röthenbach und an mehrere Kommunalpolitiker verschickt zu haben. Kein Wunder also, dass der III. Weg in Deutschland aufgrund der extremen Radikalisierung und der Parteiideologie bereits vom Verfassungsschutz beobachtet wird – und dies trotz der verhältnismäßig geringen Mitgliederzahl.

Leider ist der III. Weg hier in Ostbayern nicht die einzige rechtsextreme Vereinigung – ob die „Feuerkriegsdivision“, das „Regiment Deggendorf“, das „Bollwerk Oberpfalz“ oder die „Bayrische Gnade“, sie alle zeigen in Namen und/oder Logo Parallelen zum Nationalsozialismus und treten gewalttätig auf. Man bemerkt jedoch, dass die lokale Zivilgesellschaft in der Regel ein großes Interesse an Informationen zu neonazistischen Aktivitäten in ihrem Nahbereich hat, wenn sie davon erfährt. Insofern ist es wichtig, die Berichterstattung zu erhöhen und so die kritische Auseinandersetzung mit Neonazistrukturen vor Ort zu fördern. Auch Infoveranstaltungen können helfen, Menschengruppen wie politische Verantwortliche, Vereine, Verbände, Kirchen, Dorfgemeinschaften und nicht-rechte Jugendkulturen gegen die Rechten zu einen, so das politische Klima vor Ort zu beeinflussen und bestenfalls natürlich den Bewegungsspielraum der Szene einzuschränken.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/chemnitz-rechtsextreme-ausschreitungen-101.html

https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021/ergebnisse/bund-99.html

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/messerattacke-an-daniel-h-lange-haftstrafe-im-chemnitz-prozess-16345994.html

https://der-dritte-weg.info/2021/09/infostand-in-deggendorf-abgehalten/

https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/DER+DRITTE+WEG

https://der-dritte-weg.info/2021/11/erste-bildergalerien-vom-heldengedenken-2021-in-wunsiedel/

Afghanistan: Eine Strategie des Scheiterns

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Soldier, Military, Uniform, Armed, Combat-Ready, Battle

Seit 2001 herrscht die neueste Phase des Konflikts in Afghanistan, die von der Intervention des Westens, namentlich den USA und seinen Verbündeten, geprägt ist.  Eine Wendung in dem Konflikt ist der durchgeführte Abzug der westlichen Truppen. Der Westen macht sich aus dem Staub und hinterlässt einen noch kaputteren Staat, als den, in dem er 2001 intervenierte. Die Tragödie Afghanistan ist im Grunde eine Chronik des Scheiterns des Westens, mit schlimmen Folgen.

Nach dem Sturz der Taliban-Regierung in Afghanistan im Jahr 2001 durch Truppen des Westens sah es so aus als wäre der Konflikt zu Ende. Der Westen ernannte einen neuen Präsidenten namens Hamid Karzai. Karzai, ein erbitterter Gegner der Taliban und Unterstützer des Westens transformierte Afghanistan in kurzer Zeit zu einem der korruptesten Länder der Welt und etablierte ein System der Vetternwirtschaft. Die Korruption hatte schwerwiegende Folgen für Afghanistan, denn so kam von den vielen Milliarden Euro an Hilfsgeldern nur ein Bruchteil dem Land und seiner Bevölkerung zugute. Das Meiste versickerte in den Taschen von korrupten Politikern, was den Westen, der Afghanistan Menschenrechte und Demokratie versprach, nicht gut aussehen ließ.

Die versprochene, aber nicht eintretende Verbesserung der Lebensbedingungen, gerade auf dem Land, sowie die Offensichtlichkeit, dass es sich bei der afghanischen Regierung um eine „Marionettenregierung“ des Westens handelte, in Kombination mit der Kooperation der westlichen Länder mit afghanischen Warlords, die in der Vergangenheit durch Kriegsverbrechen auffielen (beispielsweise Abdul Dostum), ließ die Stimmung der afghanischen Landbevölkerung umschwenken, was sich die Taliban durch Propaganda und „Volksnähe“ zunutze machten. Immer mehr Afghanen begannen die ausländischen Soldaten als Invasoren anzusehen und die Taliban wurden stärker. Hinzu kam, dass sich der Westen mit Warlords zusammentat und in hohe Machtpositionen setzte, die den Afghanen durch Kriegsverbrechen und Korruption bekannt waren. Diese Entscheidungen ließen das Projekt Afghanistan scheitern, bevor es überhaupt in Gang kam.

Außerdem ist Afghanistan einer der größten Drogenproduzenten der Welt. Ein nicht unerheblicher Teil der afghanischen Landbevölkerung lebt vom Anbau von Mohn oder Opiaten. Die Antidrogenpolitik des Westens nahm den Menschen ihre Existenzgrundlage und ließ viele auf die Seite der Taliban wechseln. Doch trotz all dieser Punkte gab es stets auch noch viel Unterstützung für die „Ausländer“, denn die Taliban waren vielerorts aufgrund ihrer Brutalität verhasst. Hinzu kommt, dass die Luftschläge des Westens nicht selten zivile Ziele trafen beziehungsweise zivile Opfer miteinkalkuliert wurden. Der Erfolgszug der Taliban auf dem Land ist also nicht nur ein Produkt der Ideologien oder des in den ländlichen Regionen oftmals vorherrschenden fundamentalen Islam, sondern auch den Existenzängsten von Teilen der afghanischen Landbevölkerung geschuldet, die auf den Anbau von Opiaten angewiesen ist.

Das Debakel in Afghanistan offenbart erneut, nach der Besetzung des Iraks bis ins Jahr 2011, dass die Koalition aus den USA, Australien und einem Großteil der europäischen Staaten nicht in der Lage ist, die Regionen, in denen sie operiert, zu befrieden in der Lage sind. Es ist ein Rückschlag, der die geopolitische Karte im Nahen und Mittleren Osten verändern wird, mit unabsehbaren Folgen.  

Quellen:

Ulbricht Tilgner, 2020, Krieg im Orient: Das Scheitern des Westens, Rowohlt Verlag GmbH

Michael Lüders, 2015, Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet, C.H.Beck

Euer Aktivismus nervt

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Social, Social Networks, Social Network Service

Das Internet ermöglicht eine völlig neue Dimension der Berichterstattung und Informationsbeschaffung. Das Internet ist ein Ort, an dem jeder hochladen und sagen kann, was er möchte, was zweifelsfrei ein positiver Aspekt sein kann. Doch gerade wenn es um heikle politische Themen geht, kann diese neue Art der Informationsbeschaffung gerade in den sozialen Netzwerken negative Begleiterscheinungen hervorrufen. Das Internet ist nämlich auch oberflächlich und durch die Algorithmen der sozialen Netzwerke sehr einseitig, was gerade, wenn es um Informationsbeschaffung geht, sehr gefährlich werden kann.

Als Beispiel für diese negativen Begleiterscheinungen nehme ich in diesem Artikel den „Nahostkonflikt“ zwischen Israel und Palästina. Im Mai eskalierte der Konflikt erneut. Es gab tote Zivilisten, Zerstörung und Leid. Binnen weniger Stunden war das Internet überflutet von Videos aus den betroffenen Regionen. Die Hashtags „Free Palestine“ und „Pray for Israel“ „trendeten“ auf Twitter. Das Problem war nun, das viele Menschen ihren Beitrag leisten wollten und leisteten und Videos mit den oben genannten Hashtags verbreiteten. Zwar fand man unter diesen Hashtags auch oft fundierte Videos, in denen der Konflikt erklärt wurde, doch die überwiegende Mehrheit der Videos war populistisch, äußerst oberflächlich und meistens fand in ihnen auch ein starkes Schwarz-Weiß-Denken statt. Es dauerte nicht lange, da war man als Internetnutzer fast schon gezwungen, für eine Seite Partei zu ergreifen. Es kam zu einer Atmosphäre die der eines Fußballstadions glich, in der Fans ein Team nahezu blind anfeuern. Hinzu kommt, dass viele sozialen Netzwerke auf Kurzvideos oder Kurznachrichten ausgerichtet sind, was es wiederum unmöglich macht, einen derart komplexen Konflikt angemessen zu erklären. Die sozialen Netzwerke boten den idealen Nährboden für selbsternannte „Internet-Aktivisten“, die Stimmung machten und die moralisch und politische Unfehlbarkeit der eigenen Seite predigten.

Genau das ist ein Problem, welches nicht unterschätzt werden darf. Der Nahostkonflikt ist derart komplex und vielschichtig, dass er, wenn überhaupt, nur durch Diskurs gelöst werden kann. Beide Konfliktparteien müssten zueinanderfinden und zusammen an einer Lösung arbeiten. Und nicht nur die jeweiligen Regierungschefs, sondern auch wir hier in Deutschland. Das Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern in Deutschland darf nicht durch die Hetze und blinde Weiterverbreitung oberflächlicher und einseitiger Informationen und der daraus resultierenden Frontenbildung gefährdet werden. Was soll überhaupt das Ziel einer online „Anti-Israel-Kampagne“ oder einer „Anti-Palästina-Kampagne“ sein? Sollte man sich nicht immer beide Meinungen anhören und vor allem das fundiert erarbeiten, was vor sich geht, und dabei gleichzeitig jedem zugestehen, sich seine eigene Meinung bilden zu dürfen?

Das Internet bietet unzählige Möglichkeiten, auf Themen aufmerksam zu machen ohne Partei zu ergreifen. Die Macht des Internets kann dafür genutzt werden, eine Lösung zu finden, zu Solidarität aufzurufen und ein gemeinsames Miteinander zu fördern. Doch viele „Internet-Aktivisten“ sind wohl der Meinung, mit allen Mitteln Leute für die eigene Sache zu gewinnen, auch wenn es nicht zur Problemlösung, sondern im Gegenteil, zur Problemverschärfung beiträgt.

Antisemitismus in Deutschland – ein Phänomen der NS-Zeit?

Racism, Black Lives Matter, African-American, Equality

Antisemitismus ist mehr als Fremdenfeindlichkeit, auch mehr als ein soziales oder religiöses Vorurteil. Er ist eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz jüdischer Personen die Ursache aller Probleme sieht, kurz gesagt – Judenhass. Die jüdische Geschichte, so reichhaltig sie auch ist, ist von jeher von Ausgrenzung, Hass und Gewalt geprägt.

Antisemitismus ist nicht allein ein Phänomen der NS-Zeit, sondern ist bereits seit dem frühen Mittelalter in Deutschland zu finden. Als schließlich Hitler im Jahre 1933 die Macht ergreift, setzt eine Vernichtungspolitik in noch nie gesehenem Ausmaß ein, die zur Ermordung von etwa sechs Millionen Juden führt. Der Judenhass, der sich im Zeitalter des Nationalsozialismus ins Unermessliche steigert, äußert sich durch Maßnahmen wie gewaltsame Verfolgung, gesetzliche Diskriminierung, Deportation der Juden bis hin zur systematischen Judenvernichtung. Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten leben circa 500.000 Juden im Deutschen Reich, was weniger als ein Prozent der deutschen Bevölkerung ausmacht. Auf die mühsam errungenen Rechte, die die jüdische Gemeinschaft nach und nach erlangte und den daraus resultierenden Erfolg der Juden in Wirtschaft und Kultur in diesen Zeiten, folgt Neid, welcher zu zunehmendem Antisemitismus und stark ausgebildeten Stereotypen führt. 1935 werden deutsche Juden durch eine antijüdische Gesetzgebung ihrer Grundrechte beraubt. Die ökonomische Benachteiligung wird durch Boykotte, Entlassungen, Berufsverbote und Enteignungen sichtbar und immer mehr Juden verlassen Deutschland. 1938 äußert sich der Judenhass erneut in extremeren Formen. Antisemitische Kräfte radikalisieren sich weiter und die Lage spitzt sich in der Reichspogromnacht, in der die Zerstörung jüdischer Gebäude und Verhaftungen jüdischer Bürger ihren Höhepunkt erreicht, zu. Im Zuge der Novemberpogrome werden etwa 26.000 Juden aus ganz Deutschland in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen gebracht. Die jüdische Bevölkerung wird von da an in einem nie da gewesenen Ausmaß verschleppt und diskriminiert. Die jüdische Emigration wird zur Massenflucht. Ab Oktober 1941 werden die verbliebenen 163.000 Juden systematisch aus dem Deutschen Reich deportiert und ca. zwei Millionen Juden aus Deutschland und verbündeten Staaten kommen bis Kriegsende 1945 in Vernichtungslagern ums Leben. Im sogenannten Holocaust erleiden insgesamt etwa sechs Millionen Juden den Tod. Auch Landshuter Bürger werden zu dieser Zeit Opfer des Antisemitismus. Martin Ansbacher erzählt in einem Interview von den Qualen und Erniedrigungen, die sein Vater damals im Arbeitslager Dachau erlitt: „Eines Tages brach mein Vater neben mir während des Appells zusammen, und natürlich half ich ihm auf. Sofort schreit mich ein SS-Mann an: „Wieso hilfst du diesem Juden?““ Obwohl Dachau kein Vernichtungslager gewesen ist, werden es die Wenigsten lebend oder unverletzt entlassen: „Schließlich wurden wir entlassen und konnten mit dem Zug nach Hause fahren. Am Morgen danach bekam ich Fieber und schlimme Rückenschmerzen. Der Doktor diagnostizierte eine Nierenentzündung. Tagelang, wochenlang, litt ich Höllenquallen.”

Antisemitismus – ein Phänomen, welches vor allem mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird. Mittlerweile lebt in Deutschland wieder die drittgrößte jüdische Gemeinschaft Europas und dennoch ist Antisemitismus auch heute noch in Teilen der Bevölkerung verankert. 2017 in Berlin: Augenzeugen berichten von offener Holocaust-Leugnung und der Verbrennung israelischer Flaggen. Traditionelle antisemitische Vorurteile, sekundärer Antisemitismus und israelbezogener Antisemitismus sind hier nicht selten zu finden. Dies ist nur ein Beispiel von vielen: Im Mai 2021 wird in Mannheim eine Synagoge beschädigt. In Berlin, Würzburg und Solingen wird die von der Regierung gehisste Israel-Flagge gestohlen und beschädigt. In Gelsenkirchen müssen Demonstrationen gegen die Politik Israels unter palästinischer und türkischer Fahne gestoppt werden. Von Seiten der Politik heißt es „Null Toleranz“ gegenüber Judenfeindlichkeit, so Heiko Maaß. Auch Franz-Walter Steinmeier betont, dass das Grundgesetz zwar das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit garantiere, dass die Verbrennung von Fahnen mit Davidstern und das Brüllen antisemitischer Sprüche aber nicht nur als Missbrauch der Demonstrationsfreiheit, sondern als Straftat gelte und verfolgt werden müsse. Der wieder zunehmende Antisemitismus sorgt für Angst unter den Leuten. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach sagt: „Für unsere Mitglieder, die zu einem großen Teil aus der ehemaligen Sowjetunion kommen, ist das beängstigend und emotional schwer zu verkraften.“ Nachdem vor kurzem auch in Bonn vor einer Synagoge eine israelische Flagge brennt, äußert sich nun ebenfalls die Vorsitzende der Synagogengemeinde Bonn: „Es ist mir egal, woran die Leute glauben. Aber leider sind es immer wieder junge islamistische Männer, die uns Juden angreifen.“ Der Antisemitismus komme jedoch von allen Seiten, auch von Rechten, Linken und aus der Mitte der Gesellschaft. „Die Menschen kennen keine Juden und hassen sie trotzdem.“ Einer Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte nach sind 41 % der jüdischen Befragten in den letzten 12 Monaten von antisemitischen Übergriffen betroffen gewesen. Die Kriminalität von Judenhassern hat 2019 den höchsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten erreicht. Die Polizei registriert in diesem Jahr etwa 2000 antisemitische Straftaten, die vor allem rechts-konservativen Tätern zuzuordnen sind. 2020 steigt diese Zahl auf ca. 2350 und damit erneut auf eine Höchstzahl. Auch jüdische Jugendliche haben in Schule und Freizeit unter antisemitischen Äußerungen zu leiden. „Du Jude“ als Schimpfwort gehört auf vielen Pausenhöfen zum festen Sprachgebrauch, so Iris Berben. Unter körperlichen Angriffen hat ein Schüler aus Frankfurt am Main aufgrund des öffentlichen Tragens der Kippa zu leiden. Ein anderer Schüler äußert den Wunsch „nicht auf die Welt gekommen zu sein“, den der tägliche Antisemitismus in ihm auslöst. Antisemitismus beziehungsweise Rassismus führt laut ihm dazu, „dass man sich selbst nicht mag“. Auch Julia Bernstein thematisiert die Problematik in ihrem Buch „Antisemitismus an Schulen in Deutschland“. Sie berichtet beispielsweise von Aussagen eines Lehrers, welcher wörtlich zu einem seiner Schüler sagt: „Wenn alle Juden sind wie du, dann kann ich Hitler verstehen.“ Auch innerhalb der Klassengemeinschaft sind jüdische Schüler vor antisemitischen Äußerungen nicht sicher. Die einen leugnen den Holocaust, die anderen meinen „der Mitschüler hätte mit vergast werden sollen“.

Antisemitismus ist im Laufe der Zeit zwar offensichtlich zurückgegangen und im Ausmaß der NS-Zeit nie wieder vorgekommen, dennoch ist er nicht verschwunden. Die Allgegenwärtigkeit des Judenhasses ist vielen Deutschen nicht bewusst und doch bekommen ihn viele jüdische Bürger täglich zu spüren. Das Bild völliger Gleichberechtigung und das Ablegen von Vorurteilen Juden gegenüber ist eine utopische Illusion. Antisemitismus ist kein Phänomen aus der Vergangenheit, das getrost vergessen werden kann. Er ist immer noch gegenwärtig und wird auch von Seiten der deutschen Politik weiterhin bekämpft.

Quellen: https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/hey-ich-bin-jude-104.html https://www.annefrank.org/de/anne-frank/vertiefung/was-ist-der-holocaust/ https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/gerettete-geschichten/177625/vertreibung-und-vernichtung-der-juden-aus-dem-deutschen-reich https://gymnasium.seligenthal.de/827/articles/1037 https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/juedischesleben/ https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Antisemitismus_bis_1945 https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37966/aktuelle-phaenomene-stroemungen-debatten https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/polizei-antisemitismus-synagogen-101.html https://www.tagesschau.de/inland/antisemitismus-nahost-konflikt-101.html https://www.tagesspiegel.de/politik/rekordzahl-antisemitischer-kriminalitaet-in-deutschland-straftaten-von-judenhassern-auf-hoechstem-stand-seit-2001/25863836.html https://mediendienst-integration.de/desintegration/antisemitismus.html https://www.lpb-bw.de/reichspogromnacht#c13981 https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37945/was-heisst-antisemitismus https://gymnasium.seligenthal.de/827/articles/1037 Ehm, Matthias: Abitur Skript Geschichte Gymnasium Bayern. Stark Verlag GmbH, 2020

Lexikonartikel: NSDAP

NSDAP steht für Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei. Sie wurde in der Weimarer Republik gegründet, das war kurz nach dem Ersten Weltkrieg, und ihre Grundgedanken war antisemitisch und gegen die Demokratie in Deutschland.

Die Partei war so ausgelegt, dass ein Person in der Partei eigentlich die ganze Macht hatte. Der Vorsitzende dieser Partei war ab 1921 der spätere Reichskanzler Adolf Hitler, unter dem sie Deutschland als nationalsozialistische Dikatur beherrschte. Als der Zweite Weltkrieg 1945 endete, wurde ihr gesamtes Kapital entzogen und die Partei wurde verboten.

Die Partei wurde 1929 im Münchner Hofbräuhaus begründet, indem man die Deutsche Arbeiter Partei (DAP) in NSDAP umwandelte, wobei das „NS“ im Namen die Besonderheit dieser Partei hervorheben sollte. Zudem veröffentlichte die Partei ihr sogenanntes 25-Punkte-Programm, dessen Hauptpunkte u.a. die Aufhebung des Versailler Friedensvertrags, der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für Juden und die „Stärkung der Volksgemeinschaft“ waren. Schon kurz der Gründung begann die Partei Gründungsausweise auszugeben, und weil sie nicht als unbedeutende Kleinpartei abgetan werden wollten, begann ihr Parteiregister bei der Zahl 501. Adolf Hitler hatte die Nummer 555 inne.

Schon von 1920 an kooperierte die Partie mit der österreichischen DNSAP und der Tschechoslowakei. 1922 wurde die Partei in vielen Teilen Deutschlands verboten. Erst in Baden, dann Thüringen, Braunschweig, Hamburg, Preußen und Mecklenburg und Schwerin. Die Verbote waren von unterschiedlicher Stärke, sodass in manchen Teilen Deutschlands auch NSDAP-Partnergruppen verboten wurden. In anderen Teilen des deutschen Reichs, in denen sie noch nicht verboten war, fand sie großen Anklang, vor allem in Bayern, wo auch ihr Haupsitz lag. Doch das änderte sich entscheidend, als der sogenannte Hitlerputsch sein Ziel verfehlte. Der Hitlerputsch war der Versuch der NSDAP München zu erobern, wobei eine menge Leute durch die Straße maschierten – auf dem Weg zum königlich-bayrischen Kriegsministerium, welches die Menge unter Führung Hitlers mit Waffengewalt einnehmen wollte, nachdem Hitlers Versuche, durch Worte die Menschen auf die Seite der NSDAP zu ziehen, gescheitert waren. Aber der Putschversuch wurde von der Polizei unterbunden. Danach wurde die NSDAP bis Februar 1925 in ganz Deutschland verboten. Hitler floh, wurde aber gefasst und zu fünf Jahren Haft verurteilt, wovon er allerdings nur wenige Monate verbüßen musste. In den daraufolgenden Wahlen erreichte die NSDAP nur 6,6% der Stimmen. In der nächsten nur noch 3%. Kurz nach Hitlers Entlassung 1924 erschien 1925 der erste Band seines Buches „Mein Kampf“, der nächste Band erschien 1926.

Die NSDAP, welche scheinbar erst eine ganz „gewöhnliche“, kleine, aber bereits deutlich antisemitische Partei war, entwickelte sich bald zu einer Partei mit großem politischen Spektrum, auch weil eine damals sehr bekannte Zeitschrift von Alfred Hugenberg die NSDAP, insbesondere Adolf Hitler, sehr bekannt machte.  Zwischen 1925 und 1930 wuchs die Anzahl der Parteimitglieder von 27.000 auf 130.000 Menschen an und bereits 1926 wurde der Hitlergruß als parteiinterne Grußformel eingeführt und Hitler als Führer tituliert. Mit Gründung der Hitlerjugend und dem Straßenterror der SA, einer Ordnugstruppe der NSDAP, wurden vermehrt Jugendliche und junge Männer für die Partei gewonnen. Die NSDAP erhielt nun auch verstärkt Zustimmung von Bauern, Handwerkern und Studenten.

Nachdem Paul von Hindenburg 1930 den Reichstag aufgelöst hatte, wird die NSDAP bei den Neuwahlen mit 18,3% der abgegebenen Stimmen nach der SPD zur zweitstärksten Partei gewählt. So kam es, dass sich die NSDAP nun mit anderen rechtsextremen Parteien zusammenschloß, um die Weimarer Republik zu bekämpfen und die Demokratie zu Fall zu bringen. Ein Jahr später, 1932, bekämpften sie einander im Wahlkampf.

Allerding gelang es Hindenburg erneut, Reichspräsident zu werden. Adolf Hitler wurde „lediglich“ Zweiter. Bei den Landtagswahlen in vielen Ländern wurde die NSDAP  am häufigsten gewählt. Trotzdem durchlief die Partei danach eine Krise, deren Höhepunkt sehr schlechte Wahlergebnisse bei der nächsten Wahl waren. Dies war jedoch nur von kurzer Dauer und ihre Mitgliederstärke erhöhte sich auf ca. 850000 Menschen, wobei davon viele Nichtwähler waren, welche gezielt von der NSDAP angeworben wurden.

1933 wurde Hitler Reichspräsident. Bei den darauffolgenden Wahlen bekam die NSDAP allerdings immer noch nicht die absolute Mehrheit, weshalb sie ein Bündnis mit allen Parteien außer SPD und KPD einging. Damit konnten sie das Ermächtigungsgesetz in Kraft setzen und so bekam Hitler fast uneingeschränkte Macht. Daraufhin verbot dieser alle Parteien außer die NSDAP.

Am 1.Dezember 1933 erließ die NSDAP das „Gesetz zur Sicherung der Einheit zwischen Partei und Staat“. Mithilfe dieses Gesetzes besetzte die NSDAP alle wichtigen Stellen in Wirtschaft und Regierung.

Mit der Zeit wurde der Einflussbereich der NSDAP wegen parteiinterner Querelen und Hitlers Machtvakuum stark geschmälert. Als Hitler nach dem Röhmputsch keine Feinde innerhalb der Partei mehr hatte, wurde die NSDAP während des Zweiten Weltkrieg auch nur noch mit der Besetzung wichtiger Führungspositionen betraut. Nach dem Krieg wurde 1945 die NSDAP verboten und erst ein Jahr später 1946 in Nürnberg zu einer verbrecherischen Organisation erklärt.