Historische Wahlen in Deutschland

Am 26.09.2021 wurde in Deutschland eine neue Regierung gewählt. Auch hier am Gymnasium Seligenthal haben die Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse bei der Juniorwahl abstimmen dürfen. Doch wie funktioniert das denn jetzt alles? Was sind die aktuellen Koalitionsaussichten, einige Wochen nach der Wahl?

Gerade finden Sondierungsgespräche statt, bei denen verschiedene Parteien, die gemeinsam eine Mehrheit im Parlament erreichen können, miteinander diskutieren und prüfen, ob eine gemeinsame Regierung überhaupt möglich wäre. Da wir diese Legislaturperiode 735 Sitze im Parlament haben, benötigen die Parteien insgesamt 368 Abgeordnete, um eine Mehrheit zu bilden.

Sollten sich die Parteien bei ihren Sondierungen einig werden, kann es mit den Koalitions- oder auch Regierungsverhandlungen weitergehen, an deren Ende ein gemeinsames Regierungsprogramm steht. Dieses Programm soll bestmöglich die Regierungsversprechen aller beteiligten Parteien berücksichtigen, was natürlich aufgrund von teils ganz unterschiedlichen Positionen schwer bis unmöglich ist. Darum müssen alle regierungsinteressierten Parteien oft zurückstecken oder einige ihrer Wahlversprechen komplett streichen. Kompromisse sind also das A und O einer funktionierenden Regierung. Das erarbeitete Programm fungiert dann in den kommenden vier Jahren bis zur nächsten Wahl als eine Art Leitfaden der Regierung.

Aktuell findet man ja in der Politikrubrik einer jeden Zeitung hierzulande Ausdrücke wie Ampel- oder Jamaika-Koalition, welche auf die Farben der beteiligten Parteien dieser Koalitionsmöglichkeiten anspielen: Bei der Ampel-Koalition wären das Rot für die SPD, Gelb für die FDP und Grün für, natürlich, die Grünen. Die jamaikanische Flagge enthält die Farben Schwarz, Grün und Gelb, also wäre hier die Union, bestehend aus CDU und CSU, anstatt der SPD in der Regierung.

Derzeit sieht alles nach einer Ampel-Koalition aus.

Zudem wäre auch die sogenannte GroKo eine Möglichkeit, also ein Zusammenschluss der SPD und der Union. Jedoch wurde diese Regierung bereits mehrfach vom Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf Scholz, ausgeschlossen. Auch die Wählerinnen und Wähler scheinen sich keine erneute GroKo zu wünschen, so sehr wie die Unionsparteien abgestürzt sind bei dieser Wahl: 2013 noch bei 41,5%, wurde die ehemalige „Volkspartei“ (‚ehemalige Volkspartei‘, da es Zeiten gab, in denen die Union über 50% der Stimmen erhielt) dieses Jahr mit einem historischen Tief von 24,1% abgestraft. Auch eine Koalition mit der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“, kurz AfD, schließen alle anderen Parteien aus.

Vielleicht erinnert sich manch einer hier noch an das Zitat „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ von Christian Lindner, als die FDP sich 2017 aus den Sondierungen mit der Union und den Grünen zurückzog, da sich nach der Auffassung der Parteispitze keine Vertrauensbasis oder gemeinsame Ideen für die Modernisierung Deutschlands finden ließen. Vielleicht bereut die FDP es inzwischen etwas, damals ausgestiegen zu sein, denn sie ist der Union inhaltlich sehr viel näher als der SPD oder den Grünen. Doch dieses Jahr stellt die Ampel-Koalition eine ernstzunehmende Konkurrenz gegenüber der Jamaika-Koalition dar, um nicht zu sagen: zu 99,99% bekommen wir für diese Legislaturperiode eine Rot-Gelb-Grüne Regierung, wie es sie in Rheinland-Pfalz aktuell gibt und auf Länderebene zuvor schon mehrfach gab.

Die Union zog sich diesen Herbst erstmals in der Geschichte unserer Bundesrepublik von einem Regierungsanspruch zurück, stand aber zur Verfügung, sollten sich Rot, Gelb und Grün nicht einigen können. Doch genau das war nun wohl möglich. Somit ist die Union ziemlich sicher in der Opposition.

Die Motivation schien bei allen Ampel-Beteiligten weitaus größer: „Scheitern ist eigentlich keine Option“ sagte Robert Habeck (Die Grünen). Auch wird diese Bundesregierung mit die letzte sein, die noch wirklich aktiv der Klimakrise entgegenwirken kann – also handelte es sich um eine historisch wirklich sehr relevante Wahl, welche über unser aller Zukunft entscheiden wird. Deutschland bekannte sich 2015 im Pariser Klimaabkommen zum 1,5°-Ziel und sollte daher schleunigst beginnen, Methan- und CO₂-Emissionen zu minimieren oder zumindest den Grundstein dafür legen. Doch Klimaschutz ist nur ein Punkt, der für das Regierungsprogramm ausdiskutiert werden muss.

Also, was kam raus bei den Sondierungen?

  • Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteuern sollen nicht erhöht werden
  • Der Mindestlohn soll auf 12€ pro Stunde angehoben werden
  • Ausstieg aus der Kohleverstromung soll bis möglicherweise 2030 umgesetzt werden
  • Ausbau der erneuerbaren Energien soll „drastisch“ beschleunigt werden
  • „Alle geeigneten Dachflächen“ sollen künftig für Solarstromerzeugung genutzt werden (Bei gewerblichen Neubauten verpflichtend, bei privaten soll es die Regel werden)
  • Es soll kein generelles Tempolimit auf Autobahnen kommen
  • Hartz IV soll durch ein sog. „Bürgergeld“ ersetzt werden
  • Das System der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung soll erhalten bleiben
  • Mindestrentenniveau und Renteneintrittsalter sollen gleich bleiben
  • Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert werden
  • Das Wahlalter für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament soll auf 16 Jahre gesenkt werden
  • Unsere Verwaltung soll „agiler“ werden – die Verfahrensdauer soll mindestens halbiert werden

Man beachte hierbei, dass die eigentlichen Koalitionsverhandlungen von SPD, FDP und den Grünen gerade erst beginnen und sich die Parteien auch noch anderweitig einigen könnten, wenn es jetzt ernst wird.

Wir alle wünschen uns eine kooperative und handlungsfähige Regierung in unserem Land, die sich auch mal traut, wichtige Zukunftsthemen anzupacken, unser Deutschland weiterzuentwickeln und so ein progressives und zeitgemäßes Land zu schaffen, in dem wir alle gut und gerne leben. Werden wir es also mit unserer neuen Regierung schaffen, diese vielen, neuen Schritte in unsere Zukunft zu meistern? Wir alle können nur hoffen und gespannt auf die richtigen Koalitionsergebnisse warten, welche durchaus viel über die angestrebte Zukunft unseres Landes verraten werden.

Quellen:

https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/bundestagswahlen/340992/sitzverteilung

https://www.bundestag.de/parlament/wahlen/ergebnisse_seit1949-244692

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bundestagswahl-2021-wie-viele-sitze-braucht-man-fuer-eine-mehrheit.89276df6-e925-4011-b063-6800e039cff6.html

https://www.welt.de/politik/article170761256/Es-ist-besser-nicht-zu-regieren-als-falsch-zu-regieren.html

https://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/ampel-koalition-spd-gruene-und-fdp-nach-erster-sondierung-positiv-17580706.html

https://www.deutschlandfunk.de/nach-der-bundestagswahl-2021-welche-koalitionen-sind-denkbar.2897.de.html?dram:article_id=502404

https://www.bundesrat.de/DE/bundesrat/verteilung/verteilung-node.html

https://www1.wdr.de/nachrichten/bundestagswahl-2021/faq-begriffe-wahl-100.html

https://www.tagesschau.de/inland/sondierungspapier-105.html