Archiv für den Tag 12. Oktober 2022

Das deutsche Gesundheitssystem: Herausforderungen und Defizite

Eine hohe Belastung durch Corona-Patienten auf den Intensivstationen und zusätzlich andere Patienten, die Hilfe und Behandlungen benötigen – das Gesundheitssystem steht täglich vor großen Herausforderungen. Zweifellos wird unser Gesundheitssystem in der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie stark belastet und zeigt uns dadurch auch einige Defizite auf. Jedoch gab es auch schon vor der aktuellen Situation Probleme und Kritik an unserem Gesundheitswesen.

Generell wird unser Gesundheitssystem einerseits über die gesetzliche und private Krankenversicherung finanziert. Grundsätzlich ist seit der Einführung der Versicherungspflicht jeder in Deutschland lebende Bürger dazu verpflichtet, eine gesetzliche oder private Krankenversicherung abzuschließen. In welcher Krankenkasse Arbeitnehmer*innen versichert sind, ist abhängig von ihrem jeweiligen Einkommen: Wenn das Einkommen eine bestimmte Grenze überschreitet (2021 lag sie bei 5.362,50 Euro im Monat), kann man sich bei einer privaten Krankenversicherung anmelden. Jedoch sind einige Berufsgruppen wie zum Beispiel Beamte oder Selbstständige auch dann von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit, wenn ihr Einkommen unterhalb dieser Einkommensgrenze liegt. Doch es gibt einige Kritikpunkte an diesem System.

Zum einen basiert die Krankenversicherung innerhalb der deutschen Sozialversicherung, zu der beispielsweise auch die Arbeitslosenversicherung zählt, auf dem Solidaritätsprinzip.
Konkret bedeutet das also, dass das deutsche Gesundheitssystem durch die Solidargemeinschaft finanziert wird und somit alle gesetzlich Versicherten gemeinsam die Kosten der Behandlungen der einzelnen Mitglieder tragen. Jedoch beteiligen sich Privatversicherte trotz ihres höheren Durchschnittseinkommens nicht am Solidarausgleich, da sie nicht in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Zum anderem wird kritisiert, dass es aufgrund dieser zwei Versicherungssysteme eine Zweiklassenmedizin in Deutschland gibt. Denn privatversicherte Patienten haben Privilegien und bekommen bessere Leistungen als gesetzlich Versicherte. Beispielsweise erhalten Privatversicherte meist schneller einen Termin bei Fachärzten und profitieren von kürzeren Wartezeiten sowie Chefarztbehandlung und einem Einbettzimmer in Krankenhäusern. Das liegt vor allem daran, dass die Honorare für privatärztliche Leistungen höher sind – also verdienen Ärzte durch Privatpatienten mehr.

Die Behandlungen in Krankenhäusern werden mit dem sogenannten Fallpauschalen-System abgerechnet, das jedoch auch einige Nachteile hat. Allgemein bezeichnet eine Fallpauschale die Vergütung pro Behandlungsfall, die jedes Jahr gemeinsam vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV), dem Verband der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem Fallpauschalen-Katalog festgelegt wird. Die einzelnen Patienten werden je nach Diagnose und Behandlung einer Fallgruppe zugeordnet, für die die Kliniken immer den gleichen festgelegten Betrag von den Krankenkassen abrechnen. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, welche zusätzlichen medizinischen Leistungen erforderlich sind, wenn es beispielsweise zu Komplikationen kommt oder ein Patient länger stationär behandelt werden muss.
Abgesehen davon, dass diese Art der Abrechnung mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden ist, setzt sie falsche wirtschaftliche Anreize für Kliniken. Da die Fallpauschalen nicht alle Kosten abdecken, versucht man möglichst viele Fälle abzurechnen, also möglichst viele Patienten zu behandeln, um Finanzlücken zu schließen. Während Krankenhäuser einerseits durch das Fallpauschalen-System finanziert werden, sind die Bundesländer dazu verpflichtet, die Investitionskosten von beispielsweise moderneren Geräten und Neubauten von Kliniken zu übernehmen. Jedoch sind die Länder in den letzten Jahren ihrer Verpflichtung der Finanzierung von Investitionen nicht ausreichend nachgekommen, obwohl die Betriebskosten von Krankenhäusern allgemein gestiegen sind.

Ein weiteres Defizit neben der Kritik an den Versicherungs- und Abrechnungssystemen ist der Personal- und Fachkräftemangel, der durch die Corona Pandemie zusätzlich verstärkt und verdeutlicht wurde. Zum einen besteht das Problem, dass zwar viele Intensivbetten für beispielsweise Corona-Patienten verfügbar sind, jedoch nicht betrieben werden können, da das nötige Personal fehlt. Dies erschwert zusätzlich die Situation und Arbeitsbedingungen der derzeit im Gesundheitswesen Beschäftigten: zahlreiche Überstunden, hohe psychische und körperliche Belastungen für wenig Anerkennung und Gehalt.

Abschließend ist jedoch anzumerken, dass es laufend Bemühungen und Reformen gibt, die Probleme und Defizite unseres Gesundheitssystems zu beheben und es zu verbessern. Schließlich sollte man sich bewusst sein, was das Gesundheitspersonal vor allem während der derzeitigen Pandemie tagtäglich leistet.

Quellen:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/200629_BMG_Das_deutsche_Gesundheitssystem_DE.pdf
https://www.focus.de/gesundheit/system-steht-vor-dem-kollaps-fallpauschale-und-intensivbetten-chaos-gesundheitsreform-dringend-benoetigt_id_13240994.html
https://www.bpb.de/apuz/270312/baustelle-gesundheitssystem-aktuelle-herausforderungen-in-der-gesundheitspolitik-essay?p=all
https://www.versicherungen-online.de/pkv/ratgeber/einkommen/
https://www.krankenversicherung.net/gesetzliche-private-krankenversicherung
https://www.vdek.com/vertragspartner/Krankenhaeuser/krankenhausfinanzierung.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/krankenhaeuser-finanzierung-105.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/recherchen-von-ard-kontraste-zu-fallpauschalen-schwerkranke-kinder-koennten-wegen-personalmangels-sterben/25226472.html
https://www.deutschlandfunk.de/deutsches-gesundheitssystem-die-misere-der-krankenhaus-100.html
https://www.deutschlandfunk.de/deutsches-gesundheitssystem-die-misere-der-krankenhaus-100.html