150€ pro Spielerin – das ist der Betrag, den das norwegische Beachhandball-Team der Frauen bezahlen soll. Der Grund? Verstoß gegen eine der Regeln: „Spielerinnen müssen Bikini-Hosen tragen, die der angehängten Abbildung entsprechen. Sie müssen körperbetont geschnitten sein, mit einem hohen Beinausschnitt. Die Seitenbreite darf höchstens 10 cm betragen.“

Die norwegischen Sportlerinnen verstießen beim Spiel um Platz drei in der EM gegen Spanien im Juli 2021 bewusst gegen diese Kleiderordnung, indem sie Shorts trugen, so wie ihre männlichen Kollegen auch. Die Männer sind nach den Regeln der IHF (Internationalen Handball Föderation) sogar verpflichtet, Shorts zu tragen, welche „mindestens zehn Zentimeter über dem Knie enden“. Es gibt also eher eine Regelung für eine minimale Deckung, welche in direktem Kontrast zu der verpflichtenden Maximale Bedeckung bei Frauen steht. Folglich argumentieren viele nun, dass die Hose wohl nicht die Spielqualität der Sportler:innen beeinflusst, sondern nur ein ästhetischer Faktor diesen Regelungen zugrunde liegen kann. Die EHF (Europäische Handball Federation) bezeichnet die Shorts der Sportlerinnen als „unangemessen“.
Dass viele Sportlerinnen ihre knappen Outfits als unpraktisch oder sogar erniedrigend empfinden, ist jedoch leider kein Phänomen, dass beim Beachhandball Halt macht: Auch in anderen Sportarten, wie beispielsweise dem Turnen, beschweren sich Frauen immer häufiger über die unfaire Kleiderordnung und die daraus resultierenden Gefühle. „Turnen ist natürlich auch eine ästhetische Sportart, aber ich finde, es ist trotzdem nochmal ein Unterschied zwischen Ästhetik und etwas Sexualisiertem […]. Auch wenn ich etwas poste, […] kommt dann oft als Reaktion, gerade eben von Männern, was sie geil oder toll oder heiß finden. Ich versuch das zu ignorieren, ich lösch die Nachrichten meistens auch und wenn’s mir zu viel ist, dann blockiere ich auch den Nutzer und möchte damit auch eigentlich nichts zu tun haben, weil ich meine Sportart präsentieren will und nicht meinen Körper.“, so die Turnerin Elisabeth Seitz gegenüber dem SWR.
Dass im Sport Frauen eine weniger große Rolle spielen als Männer und die Leistungen von Frauen oft grundsätzlich herabgewürdigt wird, fällt schnell auf. Vor allem in männerdominierten Sportarten ist dieses Phänomen des Öfteren zu beobachten. In den letzten Monaten hörte man manchmal, die Engländer hätten es seit 1966 nicht mehr in ein Finale der EM oder WM geschafft, was für die Männer durchaus stimmt, das Frauenteam jedoch völlig außer Acht lässt: Erst bei der Europameisterschaft der Frauen 2009 standen die Engländischen Frauen zuletzt in einer Finalrunde, so auch 1984.
Nun hier ein kleiner Selbsttest: bisher wurden 12 Frauenfußball-EM ausgetragen. Wie oft gewannen die Deutschen Frauen? Ich wage zu behaupten, die meisten, wenn nicht fast alle von uns, müssten raten. Einmal? Zweimal? Sogar dreimal? Die Antwort überrascht: Ganze acht Mal ging unsere deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft als Siegerteam aus der EM hervor. Eine Fehleinschätzung kann zeigen: Erfolg garantiert nicht gleich öffentliche Anerkennung, sondern ist im Sport auch geschlechtsabhängig.
Auch im Boxen geht es vielen Frauen nicht anders: die Glorifizierung, wie sie bei Männern oft erfolgt, bleibt aus. Nadine Apetz, eine deutsche Amateurboxerin, mehrfach ausgezeichnet auf internationaler Ebene, erzählt dem SWR von einem Erlebnis. Bei einer Boxveranstaltung mit internationalen Gästen wurde für die Männer abends eine ganze Großveranstaltung hochgezogen, „in einer tollen Halle, mit Einlaufmusik und Nebel, Lichtern und Zuschauern“. Doch die Frauen mussten ihre Kämpfe vormittags ohne Zuschauer in einer kleinen Sporthalle nebenan führen.
Selbst statistisch fällt der Sexismus auf, es sind also nicht nur Einzelfälle: Bei einer Umfrage von SWR gaben über 700 Spitzensportlerinnen in Deutschland ihre Stimme ab und gaben mehrheitlich an, mehr als ein Mann leisten zu müssen, um ähnliche gesellschaftliche Anerkennung zu bekommen. Jede dritte Frau gab an, Sexismus im Sport erfahren zu haben, sich aber nicht bei Verantwortlichen zu beschweren. Als Grund wurden hier vor allem Machtlosigkeit und Angst genannt; so wurden in der Vergangenheit bereits ‚unbequeme‘ Sportlerinnen aussortiert.
Rückendeckung erhielten nun zumindest die norwegischen Frauen von ihrem Landesverband, der am Dienstag (20.07.2021) bei Facebook ein Foto der Mannschaft postete und dazu schrieb: „Wir sind super stolz auf diese Mädchen, die während der EM im Beachhandball ihre Stimme erhoben und deutlich gemacht haben: GENUG IST GENUG! Der Norwegische Handballverband steht hinter Euch und unterstützt Euch. Wir werden weiterhin gemeinsam dafür kämpfen, dass das internationale Regelwerk zur Bekleidung geändert wird, damit alle Spielerinnen in der Kleidung spielen dürfen, in der sie sich wohlfühlen.“
Zudem kündigte der Verband an, die von der EHF drohende Geldstrafe in Höhe von 1500€ bezahlen zu wollen.
Quellen:
https://www.tagesschau.de/sport/sportschau/sexismus-sport-101.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Handballf%C3%B6deration
https://www.swr.de/sport/frauen-im-sport/sexismus-im-leistungssport-100.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Europameisterschaft_der_Frauen
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Europameisterschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_der_Frauen
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschafthttps://beacheuro.eurohandball.com/news/en/disciplinary-commission-imposes-a-fine-for-improper-clothing/