Victor Auburtin sagt: „Genaugenommen ist Dichten ein Naturvorgang; wie der Apfel auf dem Baum reift und wie das Ei aus der Henne kommt, so reift das Werk im Dichter, und so bewegt es sich aus ihm heraus.“

1986 hat der Dichter Marc Kelly Smith den sogenannten Poetry Slam in Chicago ins Leben gerufen und damit ist ein gesellschaftliches Event, an dem jedermann teilnehmen und zuhören kann, entstanden. Dabei handelt es sich um eine moderne Form der antiken und mittelalterlichen Dichter- und Rednerwettstreite. Mittlerweile finden sogar deutschsprachige Meisterschaften statt. Doch neben dieser „Dichterelite“, in die man sich erst durch diverse Qualifikationen hinaufarbeiten muss, finden auch Veranstaltungen im kleineren Rahmen statt, bei denen nicht weniger begabte Dichter auf der Bühne stehen, wie zum Beispiel der „SprechAkt“. Er findet alle paar Monate an einem Donnerstagabend in der alten Kaserne in Landshut statt. Dort kommen hauptsächlich junge Menschen zusammen, die sich auf einen unterhaltsamen und ungezwungenen Abend mit einem Glas Wein und allerlei Texten aus diversen Genres freuen.
Die Spielregeln
24.12.2022, 19.35 Uhr. Es geht los! Die Moderatoren erklimmen die Bühne und erklären die „Spielregeln“: Alle vorgetragenen Texte müssen selbst erdichtet sein, jeder Künstler hat ein Zeitlimit von maximal sieben Minuten, um seine Werke zum Besten zu geben und darf dabei außer einem Medium, von dem er den Text gegebenenfalls abliest, keinerlei Requisiten verwenden. Die wichtigste Regel jedoch gilt dem Publikum: „Respect the poets!“ Die Moderatoren selbst haben die Mission, das Publikum durch den Abend zu führen und es bei Laune zu halten, während die Juris, die aus freiwilligen Grüppchen aus dem Publikum bestehen, nach jedem Auftritt eine Wertung von einem bis zehn Punkten abgeben.
Der Wettkampf
Der erste Poet betritt die Bühne und eröffnet die Vorrunde. Nach ihm ziehen noch sieben weitere die Zuschauer mit verschiedenen Texten über gesellschaftliche Themen, sowie Gefühle und Erlebnisse in den Bann. Es werden Werke über Konsum, Klimawandel, Selbstakzeptanz, Bedrängnis, die Psyche von Kindern im Heim und Übernachtungen auf der Zeltwiese eines Festivals vorgetragen. Auf den Gesichtern der Zuschauer spiegeln sich zwischen Sehnsucht, Belustigung, Wut und Traurigkeit beinahe jede Gefühlslage wieder.
Dann kommt das Finale. Die drei Poeten, welche an diesem Abend die meisten Herzen erobert haben, tragen ein zweites Werk vor. Sie untermalen ihre Worte mit wilden Gesten, harren auf manchen aus und es entsteht ein regelrechtes Schauspiel auf der Bühne und in den Köpfen.
Das Publikum selbst entscheidet nun mit der Stärke des Applauses über den Sieger und es wird geklatscht, gepfiffen, geschrien und gestampft. Die Siegerin steht fest. Es werden aber alle Darsteller mit tosendem Applaus noch einmal geehrt. Schließlich geht es bei diesem Event mehr um ein schönes Miteinander und das Erfahren der Kunst als ums Gewinnen.
Nur Spaß an der Freude?
Diese Veranstaltung ist noch so viel mehr als „nur“ ein schöner Abend mit Freunden, ein Grund, sich mal wieder ein Glas Wein oder Bier zu gönnen, mal abzuschalten, sich vom Alltag abzulenken, mehr als reine Unterhaltung, denn Poetry Slams erfüllen auch eine soziale Funktion. Wie der Moderator Sebastian Geiger erzählt, könne man gesellschaftliche und hochpolitische Themen ansprechen und hätte dabei ein Publikum, das das auch unvoreingenommen aufnehme. Bei vergangenen Slams hätten auch Angehörige von Minderheiten, queere Leute oder auch farbige Künstler teilgenommen, die ihre Probleme und Themen mit auf die Bühne genommen hätten.
Ein Poetry Slam ist also auch ein Ort, an dem man sich als Teilnehmer emotional öffnen kann. Man hat eine Möglichkeit, zum Nachdenken anzuregen, aufzuklären und Toleranz zu schaffen.
„Also ja, es ist definitiv mehr als Unterhaltung. Aber es ist schön, dass es auch immer Unterhaltung ist“, beendet Herr Geiger seine Ausführungen.
Quellen: